Hallo liebe Freunde der Ziege,
Ich habe diesen Blogeintrag die vollen 15 Tage herausgezögert, die ich nun schon am Projekt bin. Viel zu glücklich war ich endlich dem Arbeitsleben vor dem Laptop entkommen zu können. An meinem nun letzten Tag hier in Uganda möchte ich aber mit euch meine bisherigen Erfahrungen und Erlebnisse teilen, damit euch dieses wunderbare Land vertrauter wird. Bevor ich beginne müsst ihr wissen, dass ich bereits 2008/2009 als erster Freiwilliger für ein Jahr am Projekt gelebt habe und nun nach drei viel zu langen Jahren wieder zurück in meine zweite Heimat kehre.
Angefangen hat die Odyssee am 21.03. als ich in München einchecken wollte und ich erst noch eine etwas missmutige Münchnerin überzeugen musste, dass die 5 kg Übergewicht für eine guten Zweck sind und ich deswegen keinesfalls etwas zurücklassen konnte. 16 Stunden später kam ich dann in Entebbe/Uganda an. Beim Verlassen des Flugzeuges hätte es mich beinahe umgehauen. Die Luft war im Vergleich zum Allgäu so erdrückend schwül und heiß, dass ich so schnell wie nur möglich nach Kasese ans Projekt fahren wollte, wo das Klima um Welten angenehmer ist. Mein Plan nach Kampala zu fahren, eine Handykarte und einen 250 l Wassertank zu kaufen und zwei Stunden später im Bus zu sitzen gingen nicht wirklich auf. So musste ich erst wieder lernen, dass ich meine Zeitplanung mal drei multiplizieren muss, um für alles gefeit zu sein. Der riesige Tank ging natürlich nicht in den Bus, den ich nehmen wollte und so musste ich eine weitere Nacht warten bis ich mit meinen vier Gepäckstücken und dem Wassertank einen passenden Bus finden konnte. Nach sieben Panoramablick-reichen Stunden im Bus stieg ich an der Kreuzung Kiburara, die zum Projekt führt aus, wo mich auch schon George, unser Schuldirektor, unglaublich warmherzig begrüßte. Bevor wir zum Projekthügel gefahren sind, hat er mich gebeten schön die Augen geschlossen zu halten. Ich muss allerdings gestehen, dass ich es nicht ausgehalten habe und so schon von weitem alles mit offenem Mund bestaunen konnnte. Richtig heftig war es aber dennoch als das Auto vor meinen ehemaligen Zimmer gehalten hat, mit dem ich so viele Erinnerungen verbinde: tolle Gespräche, festliches Essen, Rattenkämpfe...
Nachdem ich gefühlte drei Minutem im Auto rumgeschrien habe, stieg ich aus und umarmte erstmal alle Berge, Felsen, Ziegen, Freunde... Ericana, unser Sozialarbeiter, der neben dem Nachtwächter noch der einzige Mitarbeiter ist, der zu meiner Zeit schon da war, erging es nicht anders. Er wurde über meine genaue Ankunft nicht informiert und brachte kein einziges Wort heraus. Deswegen ging er erstmal in sein Zimmer, um mich dann fünf Minuten später umso heftiger zu umarmen und zu begrüßen. Viel Zeit haben wir jedoch nicht für die Begrüßung verbracht, da viel zu viel Arbeit anstand, bevor Robert Wunderlich und seine Schwester Sigrid nach Deutschland gehen mussten. Ich ging zum Fluss runter, wo Robert gerade bis zu den Knien im Dreck beim Ausheben des Brunnens half. Für viele Ugander ist das ein Bild, das sie leider von Weißen viel zu selten sehen, weswegen sie normalerweise glauben, dass der weiße Mann außer Cheep fahren und Schreibtischarbeiten mit seinen Händen nichts zustande bekommt. Sigird war derweilen die vollen zwei Wochen, die ich am Projekt verbracht habe, mit der Installation eines Tinkwassersystems beschäftigt, was ihr mithilfe von stundenlangen Telefonaten mit ihrem Vater Leopold Wunderlich auch gelang. Für die Fertigstellung dieses Mammutprojektes in nur vier Monaten sind ihnen hier alle unglaublich dankbar und denen, die noch daran mitgewirkt haben.
Es ist wirklich unglaublich zu sehen, was in den letzten drei Jahren hier durch eure Hilfe und besonders die unser ugandischen Freunde alles passiert ist. In meiner Zeit gab es "nur" ein Hauptgebäude, einen Ziegenstall und einen Schweinestall. Heute haben wir zusätzlich ein Stall für die Milchziegen, eine Hühneraufzucht, ein Schulgebäude, eine Garage- und Lagerhalle, einen Geodome, eine Gesundheitsstation, eine Solaranlage und nun auch fliesendes, trinkbares Wasser. Ich weiß nicht wie euch es dabei geht, aber mir wird bei der Aufzählung allein schon schwindelig. Natürlich haben unsere Spenden und Ideen für das Erreichen dieser Ziele beigetragen, aber wenn ich sehe wie unglaublich unsere ugandischen Mitarbeiter hier am Projekt aktiv sind, muss ich wirklich den Hut ziehen. Selbst der LC5, der Ministerpräsident von Kasese, hat unser Projekt in den höchsten Tönen gelobt und wird uns in Zukunft tatkräftig beim Bau einer Straße und dem Anschluss ans öffentliche Stromnetz unterstützen. In Deutschland waren viele skeptisch, darunter auch ich, wie gut die Arbeit am Projekt voran geht und wie motiviert unsere Arbeiter sind. Jetzt wo ich hier bin sind meine Zweifel weitestgehend wie weggeblasen. Natürlich sind hier und dort noch Ecken und Kanten zu sehen, aber alles in allem haben wir hier ein gigantisches Team von engagierten Arbeitern, die das Projekt und unsere gemeinsame Vision so verinnerlicht haben, dass sie selbst sonntags arbeiten und täglich zum "morning meeting" kommen, um ihren Arbeitstag zu strukturieren. Das war vor einem halben Jahr noch nicht in dieser Form denkbar und ist ein Verdienst von Robert und George. So waren auch am letzten Samstag und Sonntag alle versammelt, als Kule Sylvester, unser ugandischer Projektvater, mit ihnen einen Arbeitsplan für das kommende Jahr ausgearbeitet hat. Bis zum Ziegenwochende am 20.04. soll der konkrete Jahresplan mit allen Budgets und Zeitvorgaben stehen, sodass er von uns überarbeitet werden kann und wir Ratschläge geben können. Diese Vorangehensweise ist für alle hier neu und muss sich erst langsam etablieren. Sylvester konnte allerdings alle von den Vorteilen dieses finanziellen und strukturellen Gesamtkonzeptes überzeugen.
Bei all der vielen Arbeit war leider kaum Zeit die einzelnen Projektgruppen zu sehen. Am letzten Freitag und Samstag konnten wir jedoch in einem Rutsch elf Gruppen besuchen und sie über die neusten Aktivitäten am Projekt informieren. Beim Anblick meiner alten "Mamas" ging mir richtig das Herz auf. Solche vor Zufriedenheit lächelnde, dankbare Gesichter können einen nur im Innersten des Herzens berühren und dort eine Flamme enzünden. Ein kräftiges Jubeln war bei allen Gruppen zu hören, als wir die Ernennung des neuen Health Officers (zwischen Krankenschwester und Arzt) Jona bekannt gaben, der bereitwillig 24h/7d Bereitschaft übernimmt. Außerdem haben wir ihre Unterstützung beim Bau des Gesundheitszentrums und der Eröffnungsfeier gewürdigt, indem wir jeder Gruppe ein Ferkel geschenkt haben, das sie am letzten Montag freudestrahlend entgegen genommen haben. Bis die Ferkel allerdings am Projekt waren war ein riesiger Akt. Ich bin mit ein paar Arbeitern zu einem nahe gelegenen Priesterseminar gefahren, wo sie die besten Zuchtschweine haben sollen. Der Hinweg war noch gut schaffbar, aber als wir mit dem Traktor und dem Hänger voller Schweine nachts zurückgefahren sind, habe ich mehr als ein Vater-Unser gebetet. Ich selbst hatte schon Probleme mich bei all den Schlaglöchern auf der Seitenbank des Traktors zu halten, aber unser Ziegenhirte und unser Farmmanager sind auf dem Hänger rumgelaufen und haben versucht die Schweine zu bändigen, die versuchten sich aus den Säcken zu befreien und todesmutig vom fahrenden Fahrzeug zu springen.Gottseidank sind alle, sowohl die Zwei- wie auch die Vierbeiner, wohl auf.
Am Dienstag Abend sind Robert und Sigrid dann nach Entebbe zum Flughafen aufgebrochen, nachdem sie sich mit einem Festschmaus und zahllosen Glückwünschen und Umarmungen verabschiedet hatten. Wir alle sind Robert einem großen Dank verpflichtet, dass er sich die vergangenden Monate so für die Sache aufgerieben hat und sich keine einzige Minute der Ruhe gegönnt hat. Wasinja kuzebo!
Heute ist mein letzter Tag am Projekt, was ich sehr sehr schmerzhaft finde. Ich weiß allerdings, dass dies sicherlich nicht das letzte Mal war, dass ich dieses Projekt und meine Freunde besuche und kann deswegen optimistisch in die Zukunft blicken. Hier habe ich wieder neue Hoffnung gefunden, dass es so viel Gutes auf der Welt gibt und die hohen Ziele, die unser Hilfsprojekt verfolgt, keine Utopien sind, sondern eine wirklichkeitsbezogene Kampfansage an die grausame Armut in diesem Land. Dafür lohnt es sich zu arbeiten, zu diskutieren, zu spenden, zu engagieren.
Ich freue mich schon sehr darauf so viele von euch am kommenden Ziegenwochenende in Heilbronn wieder zu sehen und gemeinsam die Zukunft des Projektes mitzugestalten. Der Leitspruch von "Give a Goat - Africa" ist: "If it is to be, it is up to me." Nach dieser Maxime sollten auch wir in Deutschland leben und arbeiten und zusammen mit unseren ugandischen Freunden, den Freiwilligen vor Ort, Meik Klose und Lena Bauer, und dem Team von "Schenke eine Ziege e.V." die Welt ein bisschen besser machen.
Mit wärmsten Grüßen aus der Heimat,
euer Timo Baluku
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